Auf der Tribüne des sonnenüberfluteten Kölner Südstadions rieben sich einige Zuschauer verwundert die Augen. "Die Erfurter, ein Abstiegskandidat"? Wieso eigentlich? Die spielen doch ganz hervorragend", meinten sogar Anhänger der Fortuna. In der Tat bot die Mannschaft von Stefan Krämer eines ihrer besten Spiele seit vielen Wochen und ging als verdienter Sieger vom Platz.

Vom Anpfiff weg übernahm die von Verletzungen (Laurito, Hergesell), einer Sperre (Nikolaou) und gesundheitlicher Schwächung (Kammlott) gezeichnete Erfurter Mannschaft das Kommando und drückte die Gastgeber, die ebenfalls auf einige Spieler verzichten musste, weit in die eigene Hälfte zurück. Eine Serie von vier Eckstößen in den ersten 15 Minuten war Ausdruck dieser Überlegenheit. Nach 20 Minuten dann der Lohn für die Bemühungen. Nach einem Eckbal von Aydin hämmerte Menz den Ball wuchtig aus 16 Metern unhaltbar unter die Latte des Kölner Tores. Die Führung für den RWE und schon das 5. Saisontor für Menz. Nur 60 Sekunden später zwang Benamar Fortuna-Keeper Poggenborg zu einer Faustabwehr. Das zeichen der Gäste war klar: Wir bleiben dran und wollen möglichst schnell den zweiten Treffer nachlegen. Der ließ dann auch nicht mehr lange auf sich warten. Nach einem weiten Abschlag von Klewin schlüpfte Kammlott zwischen zwei Kölner Abwehrspielern hindurch und lupfte den Ball mit dem Kopf über den herauseilenden Torwart hinweg in die Maschen. Das 0-2, ein Treffer, wie ihn nur der listige Erfurter Goalgetter (sein 11. Saisontor!) in dieser Liga erzielen kann. Erst jetzt erwachten die Gastgeber und fanden allmählich mehr zu ihrem Spiel. Ihr bester Stürmer Königs scheiterte an einem sehr aufmerksamen Klewin (32.). Dann Schrecksekunde für den RWE, denn Brückner verletzte sich in einem Zweikampf und musste ausgewechselt werden. Ob er bis zur kommenden Woche wieder fit wird, lässt sich zur Stunde noch nicht sagen, aber die Sache scheint ernster zu sein. Bergmann ersetzte ihn und war gleich in viel Abwehrarbeit eingebunden, den Fortuna wollte noch vor dem Pausenpfiff den Anschluß herstellen. Das gelang schließlich auch mit der letzten Aktion im ersten Durchgang. Dahmani, von Biada glänzend angespielt, traf freistehend aus zehn Metern zum 1-2 (45.)

Nach dem Wechsel stellte der Kölner Trainer Uwe Koschinat in der Abwehr auf Dreierkette um und forcierte mit zwei Einwechslungen die Offensivkraft seiner bekanntermaßen heimstarken Truppe. Auch Stefan Krämer tauschte aus. Der von einem Schüttelfrostanfall in der Nacht von Donnerstag auf Freitag gebeutelte Kammlott blieb in der Kabine und wurde durch Szimayer ersetzt. Der wiederum ging von der ersten Minute an ab "wie die Feuerwehr", war viel unterwegs und hatte bald auch Chancen. So in der 50. Minute, als er einen Pass von Tyrala bekam, aber in letzter Sekunde von Kölns Kapitän Flottmann am Einschuß gehindert wurde. Doch wenige Minuten später konnte ihn keiner mehr halten. Nach einem Eckball für Erfurt herrschte Konfusion in der Fortunen-Abwehr, Bergmann bediente Szimayer und der drückte die Kugel aus Nahdistanz über die Linie (59.).Die Kölner warfen nun alles nach vorne, hatten aber im Abschluss an diesem Tag kein Glück mehr. Sie trafen aber auch auf eine ungemein kampfstarke und sehr homogene Erfurter Mannschaft, in der Möckel nach einem Jahr Verletzungspause im Abwehrzentrum spielte, als habe er nie gefehlt. Doch das Kompliment erstreckte sich an diesem Tag auf alle eingesetzten Akteure beim FC Rot-Weiß. Jeder war für den anderen dann und der Wille dieses Spiel gewinnen zu wollen, war zu jeder Sekunde erkennbar. Dem waren die Domstädter diesmal nicht gewachsen. In der hektischen Schlußphase verloren sie auch noch Königs durch Platzverweis (gelb-Rot in der 82.Min.).

Am Ende feierte Rot-Weiß Erfurt einen 3-1 Erfolg, der in der Art, wie er zustande kam, Austrahlungswirkung auf die kommenden Spiele haben kann. Denn nun weiß die Mannschaft, was sie eigentlich kann und das sie sich vor keinem Gegner verstecken muss. Auch nicht vor dem aufstiegsambitionierten VfL Osnabrück, der am kommenden Samstag im Steigerwaldstadion gastiert. Dann freilich wird Benamar fehlen, der in Köln die 5. gelbe Karte erhielt.

02.04.2016 \ 1. Mannschaft