Bei Abpfiff des Spieles am Sonntagnachmittag fragte man sich durchaus, warum der FC Rot-Weiß Erfurt hier ein Spiel ablieferte, das ähnlich dem Wetter der letzten Zeit unterschiedlicher nicht sein konnte. Wähnte man den RWE in Halbzeit eins noch im festen „Winterschlaf“, erfolgte in Halbzeit zwei das „Frühlingserwachen“.
4873 Zuschauer – darunter ca. 600 mitgereiste Anhänger des KSC – waren am Sonntagnachmittag bei frühlingshaftem Wetter dabei, als Schiedsrichter Pascal Müller das sechzehnte Drittligaspiel unter seiner Leitung anpfiff.
Mit Beginn der Partie spielten zwar beide Mannschaften Fußball. Rot-Weiß wirkte jedoch – ganz im Gegensatz zu den letzten beiden Auswärtspartien beim Derby sowie in Unterhaching – seltsam lethargisch. Die Mannschaft hatte über weite Strecken der ersten Halbzeit keine wirkliche Betriebstemperatur. Wenig Präsenz bei Rot-Weiß, in den Zweikämpfen gegen ohnehin meist körperlich deutlich robustere Karlsruher oft unterlegen. Mit erheblichen Problemen dem schnellen Spielfluss des KSC gedanklich und in der Reaktion zu folgen und selbst lange keine Akzente nach vorn setzend. Es dauerte fast bis zum Ende der ersten Halbzeit, ehe Rot-Weiß in dieses Spiel fand.
Da stand es jedoch schon 0:2 zu Gunsten der Badener. Offensiv übernahmen diese sofort das Kommando auf dem Platz und setzten Rot-Weiß arg unter Druck. Besonders die linke Erfurter Abwehrseite mit Bastian Kurz hatte Probleme, die Seite dicht zu halten gegen den KSC. Der in den letzten Spielen kämpferisch starke Kurz bekam seine Seite diesmal schwerlich unter Kontrolle. Nach 10 Minuten schon verwarnt, beide Gegentore in der Entstehung über seine Seite – in Minute 34 zog Trainer Stefan Emmerling die Reißleine und nahm Bastian Kurz vom Feld im Wechsel gegen Morten Rüdiger „ Ich wollte den Spieler schützen „ betonte Trainer Emmerling später in der Pressekonferenz „ der heute einen schlechten Tag erwischt hatte.“
Matthias Bader und Burak Camoglu im Verbund mit Fabian Schleusener bei kluger Ballverteilung von Marvin Wanitzek sowie Anton Fink spielten immer wieder in hohem Tempo über die Außenbahnen und stürzten die Rot-Weiß-Abwehr von einer Verlegenheit in die andere. RWE bekam keinen Zugriff und hatte Mühe, eine defensive Ordnung in das Spiel zu bekommen.
Folgerichtig stand Innenverteidiger Daniel Gordon nach Eckball bereits in der 10. Minute das erste Mal vollkommen frei vor Philipp Klewin und schob den Ball aus etwa 4 Metern knapp am rechten Pfosten vorbei, verpasste die frühe Karlsruher Führung.
In der 12. Minute kam der KSC erneut in hohem Tempo über die linke Seite. Die nicht geklärte flache Eingabe erwischte letztlich auf der anderen Strafraumseite Burak Camoglu, der das Tänzchen fast auf der Grundlinie gegen Bastian Kurz gewann. Die anschließende präzise halbhohe Hereingabe vor das Tor wuchtete Torjäger Fabian Schleusener vollkommen frei vor Philipp Klewin aus etwa fünf Metern unhaltbar per Kopf in die Maschen zum 1:0 des KSC.
Und weil dieses Muster so gut funktionierte, machte es der KSC in der 19. Minute gleich noch einmal. Einen Freistoß aus dem rechten Halbfeld hob Marvin Wanitzek hoch und lang an das Ende der RWE-Abwehrkette, wo der Karlsruher Innenverteidiger Daniel Gordon erneut der RWE-Abwehr entwischte und mit einem wuchtigen Aufsetzerkopfball aus erneut nur fünf Metern Philipp Klewin im Tor keine Chance ließ – 0:2.
Danach nahm der KSC ein klein wenig den Fuß vom Gaspedal und überließ RWE etwas Spielanteile. Ohne dabei jedoch seine Torgefährlichkeit zu verlieren. Nach Ballverlusten im unpräzisen Offensivspiel des RWE kam der KSC mit punktgenauen langen Bällen in die Spitze in einem Höllentempo vor dem Tor von Philipp Klewin an. Marcel Mehlem jagte dann in der 30. Minute den Ball von halbrechts auf das Tor, wobei das Spielgerät noch das Lattenkreuz rasierte. Auch hier wäre Philipp Klewin ohne Chance gewesen.
Nach einem harmlosen Schuss von Tugay Uzan (14.) und einem Schulterball von Elias Huth (20.) setzte Merveille Biankadi in der 31. Minute mit einem straffen Flachschuss zentral aus etwa 25 Metern endlich einmal ein Signal in der Offensive. KSC-Torwart Benjamin Uphoff musste sich das erste Mal richtig beweisen und in das linke untere Eck abtauchen, konnte den Ball nur zur Ecke abwehren. In der anschließenden Serie von vier Eckbällen für Rot-Weiß kam der letzte Versuch von Luka Odak so genau auf den Kopf des am höchsten springenden Elias Huth, das der Ball aus etwa zehn Metern an den linken Innenpfosten ging und zum überraschenden 1:2 – Anschlusstreffer für Rot-Weiß einschlug (32.), während KSC-Torwart Benjamin Uphoff dabei überrascht auf der Linie verharrte.
Die geduldigen und getreuen RWE – Fans jubelten und schöpften so etwas wie Hoffnung, hier vielleicht noch mehr von Rot-Weiß zu sehen.
Nichtsdestotrotz hatte der KSC bis zum Halbzeitpfiff durch Martin Bader (41.) und erneut Fabian Schleusener (43.) die Möglichkeiten, den Abstand sofort wieder zu erhöhen.
In der Halbzeitpause gab es für den ehemaligen Rot-Weiß-Spieler Dirk „Orle“ Orlishausen einen Blumenstrauß von den „Steigerwald Fan Kids“. Wie immer wurde der einstige Publikumsliebling herzlich begrüßt in Erfurt bei seinen seltenen Auftritten mit dem Karlsruher SC am Steigerwald.
Mit Wiederbeginn in der zweiten Halbzeit sah man erneut zunächst das alte Bild – ein dominierender KSC, der schnell und schnörkellos den Abschluss suchte. Nachdem Marcel Kaffenberger bei einer Rückgabe Philipp Klewin unglücklich auf den Oberschenkel schoss, bekam Burak Camoglu den zurückspringenden Ball. Er konnte das jedoch nicht zum 1:3 nutzen, weil Philipp Klewin ihm den Ball vom Fuß nahm (51.).
Und dann erwachte Rot-Weiß, brachte die getreuen Fans in Stimmung und zu größerer Lautstärke. Der KSC nahm deutlich das Tempo aus seinem Spiel, verwaltete nur noch sein Ergebnis. RWE hatte jetzt mehr Spielanteile sowie Ballbesitz. Die Mannschaft rackerte, rannte an gegen das Abwehrbollwerk der Badener. Immer wieder in einer Mischung gefährlicher Aktionen von Rot-Weiß und Szenen, in denen sie sich durch unpräzises Spiel selbst ausbremsten im Anrennen um den Ausgleich.
Auch Rot-Weiß versuchte es nun oft über schnelle Aktionen auf den Außenbahnen. Eine Flanke von Merveille Biankadi ging dann von links über den gesamten KSC – Strafraum, auf rechts erreichte Luka Odak den Ball, flankte präzise vor das Tor auf Tugay Uzan, dessen Kopfball mit Wucht deutlich hörbar an die Latte klatschte (62.). Das war die Chance zum Ausgleich für Rot-Weiß gewesen.
Nur zwei Minuten später ist es Elias Huth, der mit einem Dropkick aus zwanzig Metern von halblinks Uphoff zu einer Parade zwingt und erneut der Ausgleich für Rot-Weiß verhindert wird.
Nur wenige Minuten später ist es Luka Odak, aus etwa 14 Metern halbrechts, dessen Schuss zur Ecke geblockt wird.
Tugay Uzan zieht dann aus gut 25 Metern mit Wucht ab und setzt das Spielgerät knapp neben den linken Pfosten, malträtiert danach den Erfurter Rasen mit Fausthieben, weil der Ball einfach nicht in das Tor will.
Der KSC spielt in der zweiten Halbzeit lange mit dem Ergebnis und dem Feuer. Während RWE alles nach vorn wirft und die Mannschaft leidenschaftlich um den Ausgleich kämpft, setzen die Badener nur noch gelegentliche Konter. In die Bemühungen von Rot-Weiß hinein war das 1:3 als Spielentscheidung zu Gunsten des KSC deutlich früher möglich. Das verpassten die Badener jedoch, die laissez fair mit ihren Möglichkeiten umgingen. Auch sehr zum Ärger von deren Trainer Alois Schwartz, der dieses Auslassen der eigenen Möglichkeiten auf der Pressekonferenz monierte.
In der 82. Minute klärte zuerst Jens Möckel gegen Fabian Schleusener bravourös fast auf der Linie nach einem Konter der Badener. In der 84. Minute geht Fabian Schleusener, der einen abgewehrten Ball der eigenen Abwehr erreicht, auf links in hohem Tempo von der Mittellinie allein aufs RWE – Tor zu. Er setzt jedoch solch einen schwachen Schuss, das Philipp Klewin ein Gegentor zusammen mit Marcel Kaffenberger verhindern kann.
In der 89. Minute macht dann der KSC jedoch Ernst. Bei einem rot-weißen Angriff auf der linken Seite verliert Kusi Kwame den Ball in der Karlsruher Hälfte. Der sofortige flache Pass in die Tiefe auf der Außenbahn erreicht Marvin Wanitzek, der von rechts am Strafraumeck eine präzise flache Eingabe auf den in der Mitte einlaufenden Fabian Schleusener spielt, die Marcel Kaffenberger nicht verhindern kann. Fabian Schleusener schiebt den Ball allein vor Philipp Klewin ins Tor ein. Jens Möckel steht zu weit weg und hatte sich wohl ebenfalls auf den ballführenden Marvin Wanitzek konzentriert, dabei Fabian Schleusener in seinem Rücken aus den Augen verloren.
Es steht 3:1 für den KSC und das Spiel ist damit endgültig entschieden.
Rot-Weiß Erfurt investierte in der zweiten Halbzeit viel, spielte mit hohem Risiko auf Offensive und wollte seinen Anhängern mit viel Kampf noch den Ausgleich präsentieren. Das Spiel verloren hatte man jedoch in der ersten Halbzeit, als RWE einfach nicht in das Spiel fand und die Karlsruher klar dominierten, mithin bereits deutlich höher hätten führen können.
Das der KSC in der zweiten Halbzeit eher das Ergebnis verwaltete und Rot-Weiß überhaupt lange am Leben ließ und die Chance zumindest auf ein Unentschieden da war, ärgerte KSC-Trainer Alois Schwartz sichtlich, wie man seinen Ausführungen nach dem Spiel entnehmen konnte.
Am Ende setzten sie sich dann doch durch, was über 90 Minuten gesehen verdient ist.
Für unseren FC Rot-Weiß Erfurt bleibt es beim letzten Tabellenplatz und einer Mannschaft, die spät ins Spiel fand. Aber nie den Eindruck vermittelte, sich aufgegeben zu haben. Und das ist gut so.
Am Freitagabend um 19.00 Uhr muss das RWE-Team dann bei der nächsten Spitzenmannschaft auswärts bestehen. In der Wiesbadener BRITA-Arena geht es gegen den SV Wehen Wiesbaden.
RO
11.03.2018 \ 1. Mannschaft