Soll man zufrieden oder traurig sein? Lange führte Rot-Weiß nämlich mit 1-0 auf der Schwäbischen Alb, bis der Gastgeber kurz vor Schluss noch zum Ausgleich kam und damit bereits zu seinem 13. Remis in dieser Saison. 3500 Zuschauer sahen in der Aalener Scholz-Arena bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und einem Wechsel zwischen teilweise heftigen Schneefall und Regen dabei eine abwechslungsreiche und äußerst spannende Partie.
Erfurt übernahm zu Beginn gleich das Zepter und bot in der Anfangsviertelstunde beachtlichen Fußball. Mutig und sehr strukturiert agierend, suchten sie den Weg nach vorne. Anders als in den vergangenen Wochen probierte die Mannschaft dabei auch aus der Entfernung einige Male zum Abschluss zu kommen. Umgekehrt sorgte bei Ballverlust frühes Forechecking beim Gastgeber für Unbehagen.
Allmählich aber erwachten die Aalener und sie sollten zwischen der 15 und 30. Minute besser ins Spiel finden und die zwingenderen Möglichkeiten bekommen. Morys vergab gleich zwei Chancen innerhalb von drei Minuten (20./23.), wobei die erste Möglichkeit eine nahezu 100%ige Gelegenheit war. Frei vor Klewin auftauchend, scheiterte er an seinen Nerven und schob den Ball aus zehn Metern rechts am Kasten vorbei.
Dann jedoch wieder Erfurt. Uzan verlängerte eine Flanke aus dem Mittelfeld auf Kammlott, der an der gegnerischen Strafraumgrenze stehend sich blitzschnell von seinem Gegenspieler löste und aus der Drehung direkt und eiskalt zum 0-1 verwandelte. Ein wunderbarer Treffer, eben typisch Kammlott, der mit seinem 9. Saisontor die Gäste in Führung brachte. Endlich auch wieder einmal ein Treffer aus dem Spiel heraus. Das Tor sollte bei den Rot-Weißen enorme Kräfte freisetzen und es beeindruckte den VfR in gleichem Maße, denn bis zur Pause spielte danach nur noch der RWE. Sicher lief der Ball durch die eigenen Reihen und kurz vor der Pause verpasste der bei einem Freistoss von Tyrala mit nach vorne geeilte Erb sogar, aus allerdings sehr spitzem Winkel, um Zentimeter das 0-2.
Die Führung zur Pause war für Erfurt hochverdient.
Nach dem Wechsel zogen die Gastgeber aber sofort das Tempo an und hatten durch den quirligen und giftigen Morys gleich eine gute Ausgleichschance. Mit starkem Antritt zog er drei Erfurtern davon und prüfte Klewin mit einem tückischen Flatterball (50.). Auf der anderen Seite schoss Uzan kurz darauf ähnlich gefährlich, aber ebenso glücklos auf das Tor von Kapitän und Aalen-Legende Bernhardt. Doch fortan sollte sich der RWE nicht mehr ganz so häufig vor dem Kasten des VfR sehen lassen. Zu sehr wurde die Mannschaft in Abwehrarbeit eingebunden. Welzmüller vergab zweimal aussichtsreich gegen Klewin, der nun immer mehr in den Blickpunkt rückte. Gegen VfR-Mittelfeldspieler Wegkamp, der eine Flanke von Linksverteidiger Schulz direkt auf den Erfurter Kasten jagte, musste er all sein Können aufbieten um den Ausgleich zu verhindern (66.). Selten vermochte Rot-Weiß nun noch für Entlastung zu sorgen. Das Spiel auf tiefem Boden kostete enorm viel Kraft. RWE-Trainer Stefan Krämer wechselte nicht zuletzt deshalb zwischen der 60. und 70. Minute gleich dreimal. In der dramatischen Schlussphase versuchte Rot-Weiß alles um sich gegen den immer stärkeren Druck der Aalener zu erwehren. Toshev kam dennoch zum Abschluss, vergab in der 84. und 85, Minute aber dicke Chancen für die Hausherren. Bei zwei Kontern besaßen die Erfurter aber dennoch noch noch die Möglichkeit alles klar zu machen. Einmal war es Kammlott, ein anderes Mal der eingewechselte Benamar, denen jedoch in der hektischsten Phase die Ruhe und Übersicht, im richtigen Moment den Punch zu setzen, fehlte. Eine Minute vor Schluss traf Aalen schließlich dann doch noch. Der nach vorn geeilte Innenverteidiger Müller war per Kopf nach einer Linksflanke des eingewechselten Kartalis erfolgreich.
Zweifelsfrei war der Ausgleich und damit der "Last-minute" -Punktgewinn für den VfR unter dem Strich verdient und Rot-Weiß kann mit diesem Zähler auch gut leben. Doch bleibt eine leichte Enttäuschung zurück, denn die Jungs waren ganz, ganz nah dran an drei Zählern. Die Leistung aber stimmte und zeigt, dass der Abstiegskampf nicht nur angenommen worden ist, sondern das der RWE ihn absolut bestehen kann. Voraussetzung bleibt, dass das Team sich jede Woche neu so fokussieren kann.
Es war ein intensives Spiel, das wir mutig angegangen sind. Wir sind auch verdient in Führung gegangen. In der zweiten Hälfte haben wir dem Druck nicht mehr standgehalten. Es war ein verdientes, gerechtes Ergebnis."
RWE-Trainer Stefan Krämer
Nächste Woche kommt der überraschende DFB-Pokalviertelfinalist aus Lotte ins Erfurter Steigerwaldstadion. Das verspricht auch eine hoch interessante Begegnung zu werden.
Statistik:
Tore
0:1 Kammlott (31.)
1:1 Müller (89.)
VfR Aalen
Bernhardt - Traut, Müller, Geyer, Schulz (62. Kartalis) - Welzmüller, Preißinger - Visiliadis (75. Ojala), Wegkamp, Morys - Toshev
FC Rot-Weiß Erfurt
Klewin - Menz, Möckel, Erb, Odak - Nikolaou - Bergmann (72. Bieber), Tyrala, Vocaj (62. Pigl) - Kammlott, Uzan (70. Benamar)
Zuschauer
3.495
10.02.2017 \ 1. Mannschaft